Willkommen

Hbf München, Schalterhalle, 13. November 2015
Gespräch: Christine Umpfenbach mit Christian Höss, freiwilliger Helfer

Wie fing die Arbeit der freiwilligen Helfer am Hauptbahnhof München an?
Angefangen hat es während einer Demo gegen Pegida. Es wurde bekannt, dass Rechtsradikale unterwegs sind, um Geflüchtete am Hauptbahnhof auf ihre Art und Weise „Willkommen“ zu heißen. Wir haben versucht die abzuschirmen.

Welcher Tag war das?
Es war ein Montag in der letzten Augustwoche 2015. Wir waren also am Hauptbahnhof und haben dann festgestellt, dass es keine Getränke und kein Essen für die ankommenden Geflüchteten gibt. Dann ist einer losgelaufen, um was zu holen, dann der nächste…

Welche Leute waren das?
Das waren hauptsächlich Leute aus der linken Szene, auch aus der Antifa. Die haben am Anfang alles in die Wege geleitet. Dann wurde das nach und nach strukturiert, nachdem wir festgestellt haben, dass es ohne Struktur nicht mehr funktioniert. Das ging noch am Anfang aber als 2000 bis 3000 Personen pro Stunde ankamen, war das nicht mehr möglich.

Wo kamen die Geflüchteten genau an?
Überall, wo ein Zug aus Österreich angekommen ist, sind Geflüchtete ausgestiegen. Die meisten kamen aus Österreich. Ein paar aus Italien. Sie wurden von der Bundespolizei in Empfang genommen und dann über den Flügelbahnhof auf Busse verteilt.

Was war das für eine Stimmung?
Die Stimmung war sehr angespannt am Anfang, weil niemand wusste, ob man das stemmen kann. Es ist schon was anderes, ob man 3000 Menschen am Tag oder 3000 in der Stunde zu versorgen hat. Aber es war immer gute Stimmung unter den Helfer*innen.

War ein komisches Bild, als die Polizei und die Antifa plötzlich zusammengearbeitet haben…
Ja, es war ganz interessant. Auf Demos treffen sie unliebsam aufeinander und auf einmal mussten sie Hand in Hand arbeiten und das hat prächtig funktioniert.

Wie ging das mit der Hilfe weiter?
Die Polizei hat gemerkt, es ist tolle Arbeit, die wir da machen und, dass sie ohne uns aufgeschmissen wären. Am Anfang hat die Polizei sogar Essen aus eigener Tasche bezahlt. Die haben geschaut, dass sie wenigstens für die Kinder Brezn haben.

Die Polizisten haben das selbst gezahlt?
Ja, manche Polizisten haben mir das mitgeteilt, dass sie das machen mussten. Dann haben wir uns mit unserem System aus freiwilligen Helfern in der Schalterhalle eingenistet.

Wie würdest du jetzt die Situation beschreiben, seitdem die Grenzen zu sind, damit keine Geflüchteten mehr nach München kommen?
Beschämend für die Politik in München. Die Kapazitäten sind da, ich habe viel Kontakt zu den Außenstellen in München. Da sind diverse Notunterkünfte komplett leer. Am Hauptbahnhof gibt es noch die Strukturen der freiwilligen Helfer*innen. Für mich ist das nur ein Machtspielchen der Politik gerade. Meine Meinung ist, dass wer Waffen in Länder exportiert, muss auch mit Folgen rechnen.

Hast du das Gefühl, dass sie die Leute bewusst nicht nach München lassen?
Ich weiß, dass Dornach komplett leer ist. 1400 Plätze leer. Erding ist auch nicht komplett belegt. Ich bin der Meinung, in München wären noch Kapazitäten, um Leute aufzunehmen. Und wir haben das Know-How, haben die Erfahrung, dass wir wissen, wie wir das managen können. Wir standen teilweise mit 1000 Geflüchteten alleine da, da haben wir das auch managen müssen.

Was ist wichtig für das Ankommen nach dem Willkommen?
Eine effiziente Aufklärung, wie es weiter geht. Es braucht eine gute Informationspolitik, dass gesagt wird „Passt auf, ihr seid angekommen und das und das wird euch in den nächsten Monaten erwarten“. Man kann den Angekommenen so eine Richtung zeigen, ja.

Werdet ihr gefragt, wie es weiter geht?
Ja, und wir können den Geflüchteten halt nicht klipp und klar erklären, was Sache ist. Weil wir es auch nicht wissen. Wir können immer nur das, was wir aktuell in Erfahrung bringen können, mitteilen. Die kommen also erstmal bei uns an, kriegen was zu Essen, was zu Trinken, Kleidung, werden registriert.

Warum machst du das alles?
Ich mache es, weil ich es gerne mache. Und weil ich aus einem sozialen Beruf komme, wo man so was beigebracht kriegt. Ich bin beim Roten Kreuz Sanitäter. Wenn man mal so eine Runde im Rettungsdienst mitgefahren ist, dann sieht man Dinge ganz anders. Dagegen ist das hier ein Klacks.

Was ist für dich beim Ankommen wichtig?
Freundlich empfangen zu werden! Wenn ich irgendwo hinkomme und da stehen schwer bewaffnete Polizisten vor mir, faseln irgendwas in einer Sprache, die ich nicht verstehe, würde ich natürlich auch eingeschüchtert sein. Aber wenn wir dastehen – wie wir das am Hauptbahnhof praktiziert haben- mit Dolmetscher*innen, die erklären, was weiter passieren wird, dass sie was zu essen und zu trinken kriegen, sich ausruhen können und dann in Unterkünfte gebracht werden, wo sie schlafen können, dann hat das eine ganz andere Wirkung. Die Arbeit der Dolmetscherinnen war sehr wichtig. Auch sie sind Freiwillige aus München. Sie sprechen die entsprechenden Landessprachen. Die haben eine sehr wichtige Aufgabe. Das ist unsere Kommunikationsebene mit den Gästen.

Welche Initiativen findest du in München wichtig?
Wir sind gleich vom Kreisjugendring unterstützt worden mit fachkundigem Personal, die uns bei der Organisation geholfen haben. Und die Caritas hat uns auch viel geholfen, hat für uns Helfer*innen, Supervisor*innen, einen Sozialpädagogen und einen Psychologen zur Verfügung gestellt. Mit denen konnte man sprechen, wenn einem das Ganze doch an die Nieren ging. Und sie haben uns ein Büro zur Verfügung gestellt.

Was hat das mit dir gemacht diese Erfahrung?
Ich interessiere mich seitdem mehr für Politik. Vorher war mir Politik relativ wurscht. Aber jetzt stelle ich fest, wie viel Einfluss man auf Politik hat. Ich war sehr überrascht, dass ich eine Einladung zum Empfang im Dezember von der Bayerischen Staatskanzlei bekommen habe.

Was kriegst du von den Angekommenen zurück?
Es gibt viele, die freuen sich, wenn sie einen wiedersehen. Man kriegt was zurück. Und wenn es nur ein Lächeln ist.