Ohne Titel oder same same but different

Haidhausen, Einsteinstraße, 17. Nov. 2015

Vor Gott mag jeder Mensch gleich sein. Vor dem Gesetz ist er das überraschenderweise nicht.
Gleich nach der Frage nach dem Namen folgt bei der Anmeldung, die nach dem Alter (kritisch), dem Herkunftsland (sehr kritisch) und dem Aufenthaltstitel. „Status in Deutschland“ steht in der Spalte und einer der Kandidaten für einen Schulplatz hatte einmal „gut“ rein geschrieben. Es ist aber keine Frage nach dem Wohlbefinden. So ähnlich wie das „How are you?“ der Amis, auf das es – Slavoj Žižek hatte das unlängst in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung richtig festgestellt – nur eine Antwort geben kann. Auf die Frage nach dem Status in Deutschland gibt es derer ganze drei: Erlaubnis, Gestattung, Duldung. Man könnte sie mit „very good“, „good“ und „not so good“ übersetzen. Der des erwähnten Kandidaten war übrigens „not so good“.

Wenn man beruflich mit Asylsuchenden zu tun hat, könnte man sich irgendwann mal wie ein Börsenmakler vorkommen. Ständig muss man auf die aktuell herrschende Gesetzeslage achten, die Kurse checken. Erst kürzlich musste ich einem jungen Mann (Alter: good), der endlich einen Ausbildungsplatz gefunden hatte (good), erklären, dass das neuerdings nicht ausreicht, damit er in Deutschland bleiben darf. Weil man sein Herkunftsland für „sicher“ erklärt hatte. Eigentlich, so könnte man meinen, hätte er sich darüber freuen sollen. Tat er aber nicht.
Vor einigen Monaten unterhielt ich mich mit einem Bekannten über Fußball. Ob er die deutschen Mannschaften möge, wollte ich wissen. „Jetzt schon“, gab er mir zur Antwort. Woher der Sinneswandel? Er wurde, als er in dieses Land gekommen war, nur geduldet. Jetzt aber habe er eine Aufenthaltserlaubnis und da erlaube er sich, auch den deutschen Fußball zu schätzen. Besser kann man das, denke ich, nicht auf den Punkt bringen. Es würde an Übermenschliches grenzen, wenn man von jemandem, dem man deutlich zu verstehen gibt, dass er im Grunde unerwünscht ist, verlangen würde, dass er sich seinerseits dankbar und für die von der Mehrheitsgesellschaft verkörperte Kultur – zu der ich mir den Sport hinzuzuzählen erlaube – empfänglich zeigt. Wundert es da noch jemanden, dass ich selbst, nach mehr als zwanzigjährigem Aufenthalt in diesem Land, meiner „alten Heimat“ die Daumen drücke, wenn sie in irgendeinem sportlichen Wettbewerb gegen die Deutschen antritt?
Zu der Hochzeit von Thetis und Peleus, aus deren Verbindung später einer der größten Helden der Antike – Achill – hervorgehen sollte, wurden alle olympischen Götter – die Braut war selbst eine davon – eingeladen. Bis auf Eris, die Göttin der Zwietracht. Sie ließ es sich aber nicht nehmen, bei der Feier aufzutauchen, und verübte mit ihrem Präsent, das man – im Vorgriff auf die späteren Geschehnisse – als ein wahres Danaergeschenk bezeichnen könnte, einen Anschlag auf die gute Laune der Hochzeitgesellschaft. Hätte man es ihr verübeln können?

Text: Krzysztof Merks